Ruhepunkt

Der Umgang mit legalen Drogen

Einführung

Es gibt zahllose Seiten, die vor den Gefahren illegaler Drogen warnen. Ihr Tenor ist klar und richtig: Erst gar nicht damit anfangen. Auch zum Thema legale Drogen gibt es gute Texte, welche über die Gefahren aufklären. Da sie aber eben legal sind, werden sie von sehr vielen Menschen konsumiert und nicht wenige werden davon abhängig. Wichtig ist also die Frage, wie man etwas konsumieren kann, ohne davon abhängig zu werden. Doch was zählt überhaupt zu legalen Drogen? Offiziell sind es Alkohol, Zigaretten und Medikamente. Aber ist das wirklich alles? Was ist mit Computerspielen, mit dem Smartphone, dem WWW, Glücksspiel oder dem Fernseher? Was ist mit Schokolade und Kaffee? Von all diesen Dingen oder Mitteln kann man zumindest psychisch abhängig werden. Mit Entsetzen denke ich an Jahre zurück, in denen ich kaum konzentriert am PC arbeiten konnte, weil ich immer und immer wieder dieselben Webseiten besucht habe in der Hoffnung, sie könnten neue Informationen enthalten. Wie viele Menschen haben ein ähnliches Problem mit ihrem Smartphone? Legale Drogen können eine sehr individuelle Wirkung haben. Auf manche Menschen wirken sie überhaupt nicht, andere sind sehr schnell davon abhängig. Im folgenden soll alles darunter fallen, was frei verfügbar ist und wovon man psychisch abhängig werden kann. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dazu auch Stoffe oder Dinge gehören, von denen ich gar nichts weiß. Dementsprechend ist es schlichtweg unmöglich, über alle legalen Drogen zu schreiben. Stattdessen schreibe ich exemplarisch über eine bekannte, den Alkohol. Die Erfahrungen lassen sich aber auf sämtliche andere legalen Drogen übertragen.

Der Alkohol

Der Grund, weswegen ich hier über den Alkohol schreibe ist, weil er unter den legalen Drogen zu den gefährlichsten gehört, vermutlich die gefährlichste ist. Da ich selber den Konsum von Alkohol nicht vollständig ablehne, erlaubt mir das Thema eine persönliche Sicht, die sich nicht auf eine Anti-Alkohol-Polemik beschränkt. Denn die wäre keine Hilfe für gefährdete Alkohol-Konsumenten.

Warum trinkt man alkoholische Getränke?

Warum werden alkoholhaltige Getränke getrunken? Die meisten Menschen - und ich lange Zeit auch - antworten auf diese Frage: wegen des Geschmacks. Ein Bekannter, der inzwischen gar keinen Alkohol mehr trinkt, sagte dazu sinngemäß: Das seien die Selbstbetrugsmechanismen, derer er sich selber lange Zeit bedient hätte. In Wirklichkeit würden alkoholhaltige Getränke immer wegen der alkoholischen Wirkung getrunken. Diese Aussage brachte mich sehr zum Nachdenken. Ich fragte mich selbst in der Folgezeit vor jedem Alkoholgenuss, warum ich denn jetzt ein alkoholhaltiges Getränk trinken wollte. Bei ehrlicher Betrachtung wurde mir klar: Fast jedes Mal traf die Einschätzung zu. Es gab nur wenige Male, dass ich mir beim Essen dachte, dazu würde ein Bier oder ein Wein gut passen, dann aber teilweise wegen der alkoholischen Wirkung darauf verzichtet hatte. Nun liegt es mir fern, allen Alkoholkonsumenten zu unterstellen, sie tränken diese Getränke nur wegen des Alkohols. Aber es kann sich ja jeder Biertrinker die Frage stellen, ob für ihn alkoholfreies Bier in Frage kommt, wenn es fast genauso gut schmeckt (solche Biere gibt es inzwischen durchaus, auch wenn es nicht gerade C....taler ist).

Ein weiterer Grund für den Alkoholkonsum ist natürlich wie so oft die Gruppendynamik. In bestimmten Kreisen gehört Mitdrinken dazu, auch Partystimmung wird oft mit Hilfe von Alkohol erreicht. Das bestätigt die These, dass man nur wegen der alkoholischen Wirkung trinkt, nicht wegen des Geschmacks.

Die Wirkung

Was aber ist die Wirkung, wegen der wir Alkohol trinken? Zu Beginn wirkt er entspannend, enthemmt, hebt die Laune und man schläft besser ein; die Konzentrationsfähigkeit lässt aber auch nach. Die enthemmende Wirkung führt allerdings oft auch dazu, dass man mehr trinkt und aggressiv wird. Je mehr man trinkt, desto weniger hat man sich selber unter Kontrolle. Der sogenannte Brummschädel am nächsten Tag ist die Kehrseite des abendlichen Glücksgefühls. Insbesondere die entspannende und luststeigernde Wirkung sind Grund, warum es schlichtweg unmöglich sein dürfte, den Alkohol zu verbieten. Dazu gibt es zu viele Konsumenten durch alle Gesellschaftsschichten. Auch als Einschlafhilfe wird der Alkohol leider oft genutzt. Diesen Fehler habe ich in jüngeren Jahren selber begangen. Meine Erfahrung war, was ich Jahre später in einem Zeitungsartikel von Schlafforschern erklärt bekam: Man schläft zwar schneller ein, wacht aber früh und unausgeschlafen wieder auf. Man fühlt sich überhaupt nicht ausgeschlafen, da der Körper einen unruhigen Schlaf schläft. Es kommt auch heute noch öfter vor, dass ich nachts lange nicht schlafen kann. Dann lese ich meistens etwas. Aber: Drei Stunden gesunder Schlaf sind tausend Mal besser als fünf Stunden mit alkoholischer Nachhilfe. Mehr als fünf wurden es mit alkoholischer Einschlafhilfe übrigens selten, da ich nach fünf Stunden fast immer aufwachte.

Mein Umgang

Aufgrund dieser Schlafproblematik habe ich mich vor etlichen Jahren dazu entschieden, in der Arbeitswoche gar keinen Alkohol zu trinken. Tagsüber trinke ich auch nur sehr ungern, da ich davon sehr müde werde. Vor Wochenendtagen oder im Urlaub beschränkt sich mein Alkoholkonsum meistens auf die Abendstunden. Selten trinke ich mehr als zwei Getränke (z. B. zwei halbe Bier). Nach dem Alkoholgenuss trinke ich noch einige Gläser Sprudel. Das hat einen doppelten Vorteil: Zum einen schläft man danach besser. Zum anderen vergeht etwas Zeit nach dem Trinken, bis die entspannende Wirkung des Alkohols einsetzt. Das verleitet dazu, weiter zu trinken. Trinkt man aber stattdessen Sprudel, setzt diese Wirkung genauso ein, aber in angenehmerer Weise. Der Sprudel ist gewissermaß ein gesunder Ersatz. Die Motivation, anschließend wieder auf ein alkoholisches Getränk umzusteigen, ist zumindest bei mir sehr gering. Der Sprudel wirkt also auch als eine Bremse.

Was ist der richtige Umgang?

Diese Obergrenze war bei mir sinnvoll, bei anderen kann sie vielleicht schon zu hoch sein, wieder andere können mit gutem Gewissen mehr trinken. Ist es möglich, einen Umgang zu beschreiben, der Sucht verhindert? Diese Frage hat mich erst dazu bewogen, diesen Artikel zu verfassen. Denn es gibt unzählige Menschen mit Alkoholproblemen. Ein allgemeingültiges Gesetz ist sicherlich nicht möglich. Aber hilfreiche Gedankenanstöße sicherlich schon. Im Folgenden beschreibe ich einen Ansatz, der mich davor bewahrt hat, zum Alkoholiker zu werden.

Empfehlungen

  1. Selber entscheiden: Der Alkoholiker trinkt zwanghaft. Es dauert in der Regel lange, bis jemand Alkoholiker wird. Damit es soweit nicht kommt, sollte man stets selber entscheiden, ob man etwas trinkt oder nicht. Wenn man das Gefühl hat: "Ich brauche jetzt unbedingt ein Bier" und deswegen ein Bier trinkt, entscheidet man nicht mehr frei, sondern man hat einem Drang nachgegeben. In diesem Moment ist man zumindest psychisch mehr oder weniger stark abhängig. Gerade, wenn man das Gefühl hat, ein Bier oder Schnaps zu brauchen, ist es also Zeit zu sagen: Nein, jetzt auf gar keinen Fall! Für jeden Alkoholkonsumenten ist der Alkohol ein Rivale um die Entscheidungshoheit. Gleiches gilt, wenn man nur deswegen trinkt, um vor seinen (schlechten) Freunden nicht als schwach zu gelten. Man hat sich nicht selber zum Trinken entschieden, sondern es wurde einem aufgezwungen. Das aber sollte einem Menschen nie passieren, der selber sein Leben bestimmten möchte.
  2. Pausen einlegen: Um die eigene Entscheidungsstärke zu prüfen bzw. auch sich ihrer bewusst zu werden, sollten immer wieder mehrwöchige Pausen eingelegt werden. Die Erfahrung zeigt: Je länger man auf Alkoholkonsum verzichtet, desto geringer ist das Bedürfnis nach alkoholischen Getränken. Dagegen steigt das Selbstbewusstsein, jederzeit auf ein alkoholisches Getränk verzichten zu können.
  3. Höre auf deinen Körper: Die Menschen haben unterschiedliche Verträglichkeitsgrenzen. Insofern ist eine allgemeingültige Obergrenze nicht möglich. Wenn man aber am nächsten Tag mit einem Brummschädel bzw. mit einem Brand aufwacht, dann war es einfach zuviel und man sollte beim nächsten Alkoholkonsum entsprechende Konsequenzen ziehen. Es sollte beim Alkoholgenuss auch nie der Fall eintreten, dass man nicht mehr klar denken kann. Wenn doch, dann ist der Stopp überfällig.
  4. Trinken ist kein Wettbewerb: Als älterer Jugendlicher lit ich darunter, dass Freunde von mir viel mehr vertrugen als ich. Zwar nahm ich nicht an Trinkwettbewerben teil. Doch ich wusste, dass sie viel mehr Bier tranken, als ich es vertragen hätte. Ich meinte damals, trinken trainieren zu müssen, um mich beim gemeinsamen Trinken nicht zu blamieren. Mein Denkfehler war, dass ich Trinkfestigkeit für eine Stärke hielt. Dabei besteht die wahre Stärke darin, sich an der eigenen Grenze zu orientieren und aufhören zu können. Das Bedürfnis, sich mit anderen zu messen, ist vermutlich ein Urinstinkt. Aber beim Alkoholkonsum ist er fehl am Platz.
  5. Alkohol ist keine Medizin: Alkohol zum Einschlafen, Alkohol gegen miese Stimmung und zur Auflockerung - wie oft werden alkoholische Getränke als Medizin für solche Zwecke eingesetzt? Wenn man ein Stimmungstief hat, wenn die Sorgen wie ein Stein im Magen liegen, wenn man sich nachts schlaflos von einer Seite auf die andere wälzt, ist der Griff zur Flasche sehr verführerisch. Die Ursachen für die Probleme werden aber nicht gelöst, stattdessen verschlimmert sich die Situation noch. Deswegen ist es gerade dann am besten, bewusst nichts zu trinken, sondern sich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen.

Bezug zu anderen legalen Drogen

Insbesondere die ersten beiden Punkte lassen sich auch auf andere legale Drogen übertragen (Ausnahme vielleicht Medikamente). Gerade Smartphones haben als Rivalen um die Entscheidungshoheit bei vielen Menschen die Macht übernommen. (Entscheiden Sie selber, wann und wie oft Sie auf Ihr Smartphone schauen?). Ich für meinen Teil halte mich nicht ganz an diese Empfehlungen bei anderen legalen Drogen. Denn Schokolade esse ich zeitenweise durchaus als Medizin und Kaffee trinke ich immer wieder, weil ich das dringende Gefühl habe, einen zu brauchen.