Das Tagebuch
Tagebücher werden in unterschiedlichen Varianten geschrieben. Ob mit persönlicher Anrede oder als Bericht, ob handschriftlich oder elektronisch, ob täglich oder nur zu wichtigen Anlässen: Die Möglichkeiten, ein Tagebuch zu schreiben sind sehr vielfältig. Vorgaben gibt es keine, schließlich ist ein Tagebuch in der Regel nur für den Schreiber selber bestimmt. Aus zahlreichen Gesprächen über dieses Thema schließe ich, dass die meisten Personen überhaupt kein Tagebuch schreiben. Ich selber gehöre dagegen zu den Menschen, die täglich schreiben und sich ein Leben ohne Tagebuch überhaupt nicht mehr vorstellen könnten. Da mir diese Praxis viel gebracht hat, halte ich es für sinnvoll, öffentlich darüber zu schreiben.
Vorteile des Tagebuch schreibens
Regelmäßiges Tagebuch schreiben kann mehrere Vorteile bringen:
- Erinnerungsstützen: Gleichgültig, in welcher Form man schreibt: Man sichert seine Erinnerungen oder schafft sich zumindest Erinnerungsstützen. Wie oft vergisst man bestimmte Abläufe, wie oft bringt man Geschehnisse aus der Vergangenheit durcheinander?Im Tagebuch kann man alles noch einmal nachlesen.
- Verarbeitung: Insbesondere schlechte Erinnerungen werden durch den Niederschrieb im Tagebuch ein Stück weit abgelegt. Es ist, wie wenn man es einem Freund in vertraulicher Runde erzählt. Das Tagebuch ist hierbei sehr vertraulich, denn es erzählt nichts weiter.
- Reflektion: Durch den Rückblick reflektiert man in der Regel auch noch einmal seinen Tag. Natürlich ist das Tagebuch ein Monolog und es ist keineswegs sicher, dass man beim Niederschreiben das eigene Verhalten kritisch hinterfragt. Die Chance hat man dabei aber.
- Selbsterkennung: Ein Tagebuch unterstützt den Schreiber, sich selber besser kennen zu lernen. Denn er schreibt sein eigenes Verhalten, seine Reaktionen sowie Erfolge und Niederlagen auf. Es ist ein bisschen so, als ob er sich selber im Spiegel sähe.
- Eigenentwicklung: Man erkennt beim Lesen alter Tagebucheinträge, wie man sich selber seit dieser Zeit geändert hat. Je öfter man so etwas tut, umso mehr kann man die persönliche Entwicklung nachvollziehen. Man kann geistige Zeitreisen veranstalten, denn je mehr man aufgeschrieben hat, umso intensiver kann man das Erlebte Jahre später in Erinnerung rufen.
Nachteile des Tagebuch schreibens
Ein Tagebuch kann nicht nur Vorteile mit sich bringen. Gerade weil ein Tagebuch nur von einer Person geschrieben wird, ist es ein Monolog. Es besteht die Gefahr, dass man sich in seiner eigenen Gedankenwelt verrennt. Negative Emotionen wie Selbstzweifel oder Hass können verstärkt werden.
Tipps fürs Tagebuch schreiben
So vielfältig man Tagebuch schreiben kann, ein paar Eigenschaften sollte dieses Tagebuch doch haben:
- Das Tagebuch ist heilig! Es geht niemanden etwas an außer den Schreiber selber. Also lass niemand anderen hinein schauen, außer vielleicht den Ehemann bzw. die Ehefrau. Wenn du das Tagebuch elektronisch schreiben solltest, schütze das Dokument mit einem Passwort. Nicht nur zum Selbstschutz, sondern auch zum Schutz von all den Personen, die im Tagebuch Erwähnung finden. Darüber hinaus sollte es (wie jede wichtige Datei) regelmäßig als Kopie auf mindestens einem anderen Datenträger gesichert werden.
- Ehrlichkeit! Versuch das Tagebuch so ehrlich wie möglich zu schreiben. Wenn du ehrlich zum Tagebuch bist, bist du auch ehrlich zu dir selber. Das gelingt nicht immer, denn oftmals nimmt man unbewusst das wahr, was am ehesten den eigenen Wünschen entspricht. Vorsätzliches weglassen oder verfälschen sollte aber vermieden werden. Vielleicht machst du deinen Freunden oder deinem Chef oder sonst jemandem etwas vor, aber dem Tagebuch brauchst du nichts vorzumachen.
- Keine inhaltlichen Korrekturen! Gelegentlich erschrickt man über das, was man vor ein paar Jahren geschrieben hat. Das ist tatsächlich ein gutes Zeichen. Denn daran erkennt man, dass man sich weiter entwickelt hat. Wer das Tagebuch elektronisch führt, kommt in so einer Situation in Versuchgung, den alten Eintrag zu ändern. Aber das ist Unsinn. Damit betrügt man nur sich selber.
Meine Art, Tagebuch zu schreiben
Jeder Tagebuchschreiber sollte seine Art des Schreibens finden. Darum sind die folgenden Absätze nicht als Empfehlung, sondern als Erzählung zu verstehen. Der wichtige Teil ist für mich vor allem, wie sich diese Art des Tagebuch schreibens auf mich selber auswirkt.
Ich selber schreibe mein Tagebuch elektronisch in der Berichtform. Das ist zwar nicht so persönlich wie von Hand geschrieben, dafür fällt es deutlich leichter, viel zu schreiben (vor allem als 10-Finger-Schreiber). Darüber hinaus ist der Text auch dann noch lesbar, wenn ich ihn in aller Eile verfasst habe. Dieser Tagesbericht ist vor allem Rechenschaft vor mir selber: Was habe ich heute gemacht? Alltägliches wie Hemden bügeln oder Wohnung putzen finden deswegen auch stets Erwähnung. Meine Zufriedenheit mit dem Tag hängt sehr stark daran, wieviel oder wie wenig ich voran gebracht habe. Allerdings schließt das alles mit ein, was mich in irgend einer Art voran gebracht hat, also auch Beziehungspflege, Sport usw. Manchmal erscheint mir die meiste Zeit des Tages sinnlos vergeudet, aber ein Erlebnis ist so überragend, dass der Tag dadurch gerettet ist.
Die wesentlichen Punkte aus diesen ausführlichen Berichten wieder zu finden ist natürlich schwer. Aus diesem Grund schreibe ich parallel dazu ein Inhaltsverzeichnis, in dem die Ereignisse stichpunktartig für jedem Monat aufgeführt werden. Routinetätigkeiten wie Wohnung putzen usw. werden hier nicht erwähnt. Das Ergebnis ist ein Überblick, was in den Monaten alles geschah. Je mehr das Jahr voranschreitet, desto mehr kristallisieren sich dafür bestimmte Eigenschaften heraus. Diese werden spätestens an Silvester in einem Jahrestitel zusammengefasst. Zu Neujahr wird eine neue Tagebuchdatei begonnen.
Persönliche Auswirkungen
Das Tagebuch schreiben hat auf mich mehrere Auswirkungen:
- Eigenes Abenteuer: Es entsteht jedes Jahr eine eigene Geschichte - meine Eigene! Es gibt Filmabenteuer wie Star Wars, auf deren neue Episoden Millionen von Fans warten. Eine spannende Frage lautet dabei, wie der Titel der neuen Episode heißt. Noch spannender ist natürlich der Inhalt. Schreibt man dagegen seinen eigenen Roman, geraten solche Filmspektakel eher in den Hintergrund. Wichtig ist auf einmal der Titel und der Inhalt des nächsten eigenen Abenteuers! Der Vorteil gegenüber einer Leinwandsaga: Man erlebt und gestaltet selber persönlich mit und kann aus den eigenen Fehlern lernen. Egal, in der wievielten Episode man sich befindet: Es besteht nie die Gefahr, dass es ein billiger Abklatsch der vorigen wird. Bei einem Krimi stellt man sich oft die Frage: Wie realistisch ist das, was man sieht. Auch diese Frage stellt sich beim eigenen Abenteuer nicht, es ist vollständig echt.
- Resistenter: Unerwartete, turbulente, stressiges oder verrückte Situationen sind auf einmal alle eine Bereicherung, die das eigene Abenteuer unterhaltsam machen. Sogar negative Erlebnisse bekommen einen anderen Stellenwert: Sie bereichern die eigene Geschichte. Sie sind ein Bestandteil im großen Ablauf des eigenen Lebens.
- Ergebnisoffen: Manche Menschen betreiben Karriereplanung und legen sich darauf fest, wo sie in vier oder fünf Jahren stehen wollen. In meinen Augen eine absolute Torheit, da niemand weiß, wo er in wenigen Jahren stehen kann. Die Ereignisse sind noch nicht eingetreten, die das Leben beeinflussen werden. Nach alle dem, was ich bisher erlebt habe, kann man das Leben nur sehr wenig planen. Man kann sich natürlich Ziele setzen und Ideen langfristig voran treiben. Dabei muss man aber ständig auf unerwartete Ereignisse reagieren und das beste aus den Chancen machen, die auf einen zukommen.
- Selbstvertrauen: Vor allem als Jugendlicher und junger Erwachsener war es für mein Selbstvertrauen wichtig, mich mit anderen zu messen und überlegen zu sein. Unterlegenheit hat am Selbstbewusstsein gekratzt. Doch dieses Streben nach Überlegenheit, das auf lange Zeit ohnehin zum Scheitern verurteilt ist, tritt in den Hintergrund. Mein Selbstvertrauen basiert auf meinem Leben mit all seinen Erfahrungen, Erinnerungen, den H&oum;hen und Tiefen. Auch auf den Verfehlungen, die oft die Ursache für spätere Glanzmomente waren. All das ist im Tagebuch dokumentiert und gibt mir selbst ein Zeugnis, wer ich bin.
- Regelmäßiger Neustart: Zu Jahresbeginn wird eine neue Datei geöffnet. Es ist wie ein Ablegen von allem Erlebten mit einem Ausblick auf Unbekanntes. Voller Neugier erwartet man das kommende Jahr, den neuen Titel, die neuen Inhalte.
Meine Einsatzmöglichkeiten des Tagebuches
An einem Tagebuch schreibe ich sicherlich viel länger, als ich wieder darin lese. Dennoch schlage ich immer wieder nach und nutze es unter anderem folgendermaßen:
- Nachschlagewerk: Sehr praktisch ist das Tagebuch, wenn ich mich an bestimmte Begebenheiten nicht mehr erinnern kann. Ich lese einfach im entsprechenden Jahr (im Zweifel durchsuche ich das Inhaltsverzeichnis), wie es war. Auch die Suchfunktion kommt des Öfteren zum Einsatz, um nach besteimmten Personen oder Begriffen zu suchen.
- Jahresrückblick: Ritualisiert verwende ich das Tagebuch am Ende eines Jahres. Ich lese mir noch einmal das Inhaltesverzeichnis durch und lasse alle Ereignisse des ablaufenden Jahres an mir vorüberziehen.
- Zeitreise: Spielerisch nutze ich das Tagebuch gerne für Zeitsprünge: Ich lese, was vor genau einem Jahr, vor genau zwei Jahren usw. war. Natürlich sind auch andere Zeitabstände möglich. Dieses Spiel ist keineswegs nutzlos: Ich erkenne dabei, wie ich mich über die Jahre verändert habe.
Fazit
Ein Tagebuch benötigt viel Pflegearbeit und auch etwas Disziplin, damit man jeden Tag schreibt. Es bringt aber sehr viel Nutzen, mit dem eigenen Leben zurecht zu kommen und Freude daran zu haben.
Hast dich dieser Artikel dazu inspiriert, ein eigenes Tagebuch zu schreiben? Probiere es aus, aufhören kann man immer.